Vom Blütenkelch zum Honigglas: Der Weg von Nektar und Pollen im Bienenstock

Der Prozess, wie Bienen Nektar und Pollen in Honig umwandeln, selbst verbrauchen und einlagern, ist ein faszinierendes Beispiel für Naturchemie, Teamwork und effiziente Vorratshaltung. Es ist ein komplexer Vorgang, der die Überlebensstrategie eines Bienenvolkes sichert.
Nektar: Der Weg zum Honig





Nektar ist eine zuckerhaltige Flüssigkeit, die Pflanzen produzieren, um Bestäuber anzulocken. Für Bienen ist er die Hauptenergiequelle.
Sammlung und erster Transport:
Aufnahme im Blütenkelch: Eine Sammelbiene fliegt von Blüte zu Blüte und saugt den Nektar mit ihrem Rüssel auf. Dieser Nektar wird nicht direkt in den Verdauungstrakt geleitet, sondern in einer speziellen Drüse, der Honigblase, zwischengespeichert. Die Honigblase ist quasi ein Transporttank im Körper der Biene.
Enzymatische Vorverdauung: Schon während des Fluges vom Blütenkelch zum Bienenstock beginnen die Bienen mit der Umwandlung. Im Nektar sind verschiedene Zuckerarten enthalten (Saccharose, Glukose, Fruktose). Die Biene reichert den Nektar in ihrer Honigblase mit Enzymen an, insbesondere der Invertase. Dieses Enzym beginnt, den komplexeren Zucker Saccharose in die einfacheren Zucker Glukose und Fruktose aufzuspalten. Dies ist der erste Schritt zur Honigbildung.
Umwandlung und Reifung im Stock:
Übergabe im Stock: Im Bienenstock angekommen, würgt die Sammelbiene den vorverdauten Nektar aus ihrer Honigblase heraus. Sie übergibt ihn an sogenannte Stockbienen oder Verarbeitungsbienen (jüngere Bienen, die noch nicht als Sammelbienen fliegen).
Wiederholte Weitergabe und Anreicherung: Diese Stockbienen nehmen den Nektartropfen auf, geben ihn wieder ab und reichen ihn von Biene zu Biene weiter. Bei jeder Übergabe wird der Nektar erneut mit Enzymen aus den Speicheldrüsen der Bienen angereichert. Das Spalten der Zucker geht weiter, und der Wassergehalt beginnt leicht zu sinken.
Wasserentzug (Fächeln): Der entscheidendste Schritt ist die Reduzierung des Wassergehalts. Nektar besteht zu 50-80% aus Wasser. Damit der Honig lagerfähig ist und nicht gärt, muss der Wassergehalt auf unter 20% (idealerweise 17-18%) gesenkt werden. Die Bienen erreichen dies durch Fächeln: Tausende von Bienen erzeugen im Stock einen Luftstrom mit ihren Flügeln, der die Feuchtigkeit aus den offenen Waben absaugt. Sie verteilen den Nektar in dünnen Schichten in den Wabenzellen, um eine größere Oberfläche für die Verdunstung zu schaffen.
Einlagerung und Versiegelung: Sobald der Honig den gewünschten Wassergehalt erreicht hat und die enzymatische Umwandlung abgeschlossen ist, wird er in den Wabenzellen eingelagert. Die Bienen verschließen die gefüllten Zellen mit einer dünnen Wachsschicht, dem sogenannten Operkel. Dies ist das Zeichen für den Imker, dass der Honig reif ist und geerntet werden kann. Der verschlossene Honig ist nun haltbar und kann über lange Zeit als Nahrungsvorrat dienen.
Die Gesamtleistung in Oberösterreich: Wenn man bedenkt, dass in Oberösterreich rund 80.000 Bienenvölker von Imkern betreut werden, dann sammeln alle Honigbienen dieses Bundeslandes zusammen pro Jahr geschätzt:
- 8.000 Tonnen Honig (80.000 Völker x 100 kg Honig/Volk). Davon verbrauchen die Bienen selbst ca. 70kg.
- Das entspricht unglaublichen 24.000 Tonnen Nektar (8.000 Tonnen Honig x 3 kg Nektar/kg Honig)! Imker ernten 25-30 kg pro Volk das enstpricht ca. 2.000 t Honig pro Jahr, den Großteil verbrauchen die Bienen selbst.
- Diese Zahlen machen den enormen Fleiß der Bienen greifbar. Jede einzelne Biene leistet Unglaubliches, und in der Summe der Arbeitskraft eines ganzen Volkes und aller Völker eines Bundeslandes wird deutlich, welch gigantische Mengen an Rohstoffen bewegt werden.
Pollen: Das „Bienenbrot“
Pollen ist der männliche Samen der Pflanzen und die wichtigste Eiweiß-, Vitamin-, Mineral- und Fettquelle für Bienen. Ohne Pollen könnten sie keine Brut aufziehen und nicht überleben.








Sammlung und Transport:
Pollenaufnahme: Während des Nektarsammelns bleibt Pollen an den feinen Härchen der Biene hängen. Die Biene bürstet diesen Pollen aktiv von ihrem Körper ab.
Pollenhöschen: Mit speziellen Borsten an ihren Hinterbeinen, den sogenannten Pollenkörbchen oder „Pollenhöschen“, formt die Biene den gesammelten Pollen zu kleinen Kügelchen und transportiert ihn zurück zum Stock. Diese Pollenhöschen sind oft auffällig gefärbt und zeigen die Pflanzenart an, die gerade besucht wurde.
Verarbeitung und Einlagerung im Stock:
Entladen und Vermischen: Im Stock angekommen, streift die Sammelbiene die Pollenhöschen ab. Andere Stockbienen nehmen den Pollen entgegen.

Herstellung von Bienenbrot: Der gesammelte Pollen wird in Wabenzellen eingelagert und dort mit Honig und Speichelsekreten vermischt und festgestampft. Durch diesen Prozess beginnt eine Milchsäuregärung.
Konservierung (Bienenbrot): Die Gärung konserviert den Pollen, macht die Nährstoffe besser verfügbar und schützt ihn vor Schimmel und Fäulnis. Dieser fermentierte Pollen wird als „Bienenbrot“ (Perga) bezeichnet und ist die Hauptnahrungsquelle für die Larven und Jungbienen.
Eigenverbrauch und Einlagerung
Bienen haben ein klares System, wie sie die gesammelten Vorräte nutzen:
- Direkter Verbrauch: Ein Teil des gesammelten Nektars und Pollens wird sofort von den Bienen für ihren aktuellen Energiebedarf und für die Fütterung der Brut verwendet. Flugbienen benötigen Nektar als „Flugbenzin“.
- Kurzfristige Lagerung: Frisch eingetragener Nektar wird zunächst in Wabenzellen in der Nähe des Brutnestes gelagert, da er hier schnell verfügbar sein muss.
- Langfristige Einlagerung (Vorratskammer): Der Großteil des reifen Honigs und Bienenbrots wird in den oberen und äußeren Bereichen der Waben eingelagert. Diese Bereiche dienen als Vorratskammern für schlechte Wetterperioden und vor allem als Wintervorrat. Die Königin legt ihre Eier in der Regel unterhalb dieser Vorräte ab.
- Bienen sammeln auch große Mengen an Pollen (Blütenstaub) – etwa 25 bis 30 Kilogramm pro Volk und Jahr. Pollen ist die Eiweißquelle der Bienen und essenziell für die Aufzucht der Brut und die Gesundheit des Volkes.
Dieser ausgeklügelte Prozess ermöglicht es einem Bienenvolk, auch über längere Perioden ohne frische Nahrung (z.B. im Winter oder bei Schlechtwetter) zu überleben und sich selbst zu versorgen. Der Honig, den wir ernten, ist lediglich der Überschuss, den die Bienen durch ihren außergewöhnlichen Fleiß über ihren eigenen lebensnotwendigen Bedarf hinaus produzieren. Es ist ein echtes Wunder der Natur!
Konsumentinnen und Konsumenten in Oberösterreich profitieren in vielfältiger Weise von Bienen, oft sogar ohne es direkt zu merken. Ihr Nutzen reicht weit über den Honig hinaus und betrifft essenzielle Bereiche unserer Ernährung und Umwelt.
Lebensmittelvielfalt und -qualität
Das ist der bei Weitem wichtigste und größte Nutzen:

Obst und Gemüse: Ein Großteil der in Oberösterreich produzierten Obst- und Gemüsesorten ist direkt oder indirekt auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Ohne Bienen gäbe es deutlich weniger Äpfel, Birnen, Kirschen, Marillen, Beeren (Erdbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren), aber auch Gurken, Kürbisse, Tomaten, Paprika und vieles mehr, das wir täglich essen. Die Bienen sorgen nicht nur für die Menge, sondern auch für die Qualität: Gut bestäubte Früchte sind oft größer, formschöner und länger haltbar.

Ölsaaten: Wichtige landwirtschaftliche Kulturen wie Raps und Sonnenblumen sind auf Bienenbestäubung angewiesen. Daraus werden Speiseöle gewonnen, die in vielen unserer Lebensmittel verarbeitet werden. Auch der oberösterreichische Ölkürbis (für das bekannte Kürbiskernöl) ist ohne Bienen nicht denkbar.
Tierische Produkte: Indirekt profitieren Konsumentinnen auch von tierischen Produkten, deren Erzeugung auf Futterpflanzen basiert, die von Bienen bestäubt werden (z.B. Klee und Luzerne für Viehfutter).
Artenvielfalt auf dem Teller: Die Bienen erhalten die biologische Vielfalt in der Natur. Das bedeutet nicht nur, dass es eine größere Bandbreite an Wildpflanzen gibt, sondern auch, dass die Züchtung und der Erhalt vieler alter und seltener Obst- und Gemüsesorten weiterhin möglich ist, da ihre Samenproduktion gesichert wird.
Regionale Produkte direkt von der Biene
Neben der Bestäubungsleistung erhalten Konsumentinnen in Oberösterreich auch eine Reihe direkter Produkte von den Bienen:
Honig: Dies ist das bekannteste Produkt. Oberösterreich ist das Bundesland mit den meisten Bienenvölkern in Österreich. Konsumenten haben hier eine hervorragende Möglichkeit, regionalen, hochwertigen Honig direkt von Imkern, auf Bauernmärkten oder in gut sortierten Geschäften zu kaufen. Dieser heimische Honig ist nicht nur ein Genussmittel, sondern wird oft auch als Naturheilmittel geschätzt. Der Kauf von heimischem Honig unterstützt zudem die lokale Wirtschaft und Imkerschaft.

Bienenwachs: Aus den Waben der Bienen gewonnen, wird Bienenwachs zu vielfältigen Produkten verarbeitet, die Konsumentinnen kaufen können. Dazu gehören:
Kerzen: Natürliche Bienenwachskerzen brennen sauberer und länger als viele Paraffinkerzen und verströmen einen angenehmen, dezenten Duft.
Naturkosmetik: Bienenwachs ist eine beliebte Zutat in Cremes, Salben, Lippenbalsam und anderen Pflegeprodukten aufgrund seiner schützenden und feuchtigkeitsspendenden Eigenschaften.
Holzpflege und Möbelpolitur: Bienenwachs wird auch für natürliche Pflegemittel für Holzoberflächen verwendet.
Propolis: Dies ist das „Kittharz“ der Bienen, das sie zur Abdichtung und Desinfektion des Bienenstocks verwenden. Propolis ist für Konsumenten oft in Form von Tinkturen, Salben oder Nahrungsergänzungsmitteln erhältlich und wird für seine antibakteriellen, antiviralen und entzündungshemmenden Eigenschaften geschätzt.
Blütenpollen: Der von Bienen gesammelte Blütenpollen ist reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen und wird als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Er kann das Immunsystem stärken und die allgemeine Vitalität fördern.
Gelee Royal: Das „Königinnenfuttersaft“ wird in kleineren Mengen als exklusives Nahrungsergänzungsmittel oder in Kosmetika vertrieben, oft beworben wegen seiner vermeintlich vitalisierenden Wirkung.
Ein gesünderes Ökosystem und attraktive Landschaften
Gesunde Ökosysteme: Die Bestäubungsleistung der Bienen trägt wesentlich zur Gesundheit und Stabilität der gesamten Ökosysteme in Oberösterreich bei. Das bedeutet gesündere Wälder, blühende Wiesen und eine intakte Natur, die wiederum die Grundlage für Erholung, Tourismus und Freizeitaktivitäten bildet.
Blühende Landschaften: Durch die Bienen erhalten wir nicht nur Früchte, sondern auch die Ästhetik unserer Landschaft. Blühende Obstgärten im Frühling, leuchtende Rapsfelder oder farbenfrohe Wiesen sind ein Genuss für das Auge und tragen zur Lebensqualität bei.

Indikator für Umweltgesundheit: Die Präsenz und Gesundheit der Bienenpopulationen ist ein wichtiger Indikator für die Umweltqualität in Oberösterreich. Eine gesunde Bienenwelt signalisiert eine intaktere Natur mit weniger Belastung durch Pestizide und mehr Pflanzenvielfalt.
Daher darf man festhalten: Die Konsumentinnen und Konsumenten in Oberösterreich erhalten von den Bienen nicht nur köstliche Honigprodukte, sondern vor allem die Grundlage für einen Großteil ihrer Lebensmittelversorgung und profitieren von einer gesunden, blühenden und vielfältigen Umwelt. Der Wert dieser Leistungen ist immens und unterstreicht die Notwendigkeit, Bienen und ihre Lebensräume zu schützen.